Das Diametrale Zweirollenmaß (Symbol: MdR)ist eine Möglichkeit, die Maßhaltigkeit der Zahndicke zu überprüfen. Es ist eine gängige Methode speziell in der amerikanischen Region, während z.B. in Europa das Diametrale Zweikugelmaß (Symbol: MdK) bevorzugt wird. In dem Post Rollenmaß oder Kugelmaß? bin ich bereits darauf eingegangen, für welche Verzahnungen das Kugelmaß und für welche das Rollenmaß geeignet ist. Heute will ich das Augenmerk auf die Vergleichbarkeit der Ergebnisse legen.
Sind die Ergebnisse von MdR und MdK identisch?
Die Antwort ist: Ja und nein. Oder anders ausgedrückt: Es kommt darauf an. Es gibt Fälle, in denen die Ergebnisse von beiden Messmethoden identisch sind. Es gibt aber auch Fälle, in denen sie sich unterscheiden – manchmal nur im Mikrometerbereich, manchmal auch um mehrere Millimeter. Schauen wir uns das mal genauer an.
Unterschiede im Mikrometerbereich
Die Messung mit Rollen oder mit Kugeln als Einlegestücke in die Zahnlücken ist vom Prinizip identisch. Den Unterschied macht die Form der Einlegestücke und damit die Anlage an den Zahnflanken. Kugeln haben eine punktförmige Anlage.

Rollen = Zylinder haben eine linienförmige Anlage an den Zahnflanken.

Wichtig, ist dass wir an dieser Stelle, die Anwendung auf Geradverzahnungen einschränken. Bei der Geradverzahnung ist die Lage der Einlegestücke für MdK und MdR identisch.
Der einzige Einfluss auf das Messergebnis ist die unterschiedliche Anlagefläche. Das führt uns dazu, dass der Formfehler der Flanken bestimmt, wie groß die Unterschiede sind. Liegt ein großer Formfehler vor, ist das Risiko größer, dass die Kugeln in einem Tal oder auf einem Berg der Zahnflanken anliegen. Das Messergebnis wird dadurch instabil. Die Messung mit Rollen ist stabiler und damit zuverlässiger. Durch die linienförmige Anlage, ist der Einfluss der Flankenformabweichung deutlich geringer, da die Rollen liegen an mehreren Stellen an der Flanke anliegen.
Im Umkehrschluss bedeutet dass, dass bei einem sehr kleinen Formfehler, die Messergebnisse von MdR und MdK identisch oder quasi identisch sind.
Unterschiede im Millimeterbereich
Wow, Unterschiede im Millimeterbereich – wie kann das sein?
Das liegt nicht an der Messungenauigkeit einer der beiden Messmethoden. Es liegt daran, dass sich die Auswertung der beiden Maße in einem bestimmten Fall unterscheiden: Bei Schrägverzahnungen mit ungerader Zähnezahl.
Definition der Maße
Beide Maße sind so definiert, dass der Abstand der Messstücke gebildet wird, wenn diese in gegenüberliegenden Zahnlücken eingelegt werden. Bei Verzahnungen mit gerader Zähnezahl liegen die Zahnlücken auf genau 180°.

Hat eine Verzahnung eine ungerade Zähnezahl, dann liegt auf 180° keine Lücke, sondern ein Zahn. Das bedeutet, dass die gegenüberliegende Lücke zu 180° versetzt ist. Das gilt für das Kugelmaß wie auch für das Rollenmaß.

Bei einer Geradverzahnung sind das MdR und das MdK identisch definiert. Bei einer Schrägverzahnung sieht das jedoch anders aus.
Unterschied bei Schrägverzahnung mit ungerader Zähnezahl
Liegt eine Schrägverzahnung vor, wendelt sich der Zahn und damit die Zahnlücke um das Zahnrad herum. Für das MdK ändert sich nichts: Die Kugeln liegen punkförmig an, gemessen wird in einem Stirnschnitt, in dem die gegenüberliegende Lücke zu 180° versetzt liegt. Folglich ergibt sich für das Kugelmaß die gleiche Definition wie für die Geradverzahnung mit ungerader Zähnezahl.

Messen wir mit Rollen, stellen wir fest, dass sich die Rollen in den gegenüberliegenden Zahnlücken so verdrehen, dass sich eine Lage ergibt, in der die Rollen direkt 180° gegenüberliegen.

Es kann direkt über die Mitte der Verzahnung gemessen werden. Dadurch ergibt sich ein größeres Maß für das MdR als für das MdK. Ist auf der Zeichnung das Diametrale Zweirollenmaß gefordert, kann in diesem Fall definitiv nicht alternativ mit eingelegten Kugeln gemessen werden.
Identische Ergebnisse
Wann sind die Ergebnisse von Rollen- und Kugelmaß identisch? Dieser Fall ist eher theoretischer Natur. Er ist mir trotzdem wichtig. Da er einen Zusammenhang aufzeigt, der bei der Entscheidung, ob Rollen- oder Kugelmaß zu verwenden ist, hilfreich ist.
Ich habe bereits ausgeführt, dass die unterschiedliche Art der Anlage (Kugel: punktförmig, Rolle: linienförmig) zu Unterschieden im Mikrometerbereich führen kann. Genau an dieser Stelle setzen wir noch einmal an, um zu erklären, wann die Ergebnisse identisch sein können.
Kontakt der Kugel
Die Kugel hat eine punkteförmige Anlage an den Zahnflanken. Diese Anlage wird durch die Kugelform der Einlegestücke bestimmt. Sie bleibt punktförmig, auch wenn sich die Form der Flanke ändert: gerade Flankenform, evolventische Flankenform, gerade Zahnlücke, wendelförmige Zahnlücke bei einer Schrägverzahnung.
Kontakt der Rolle
Der Kontakt der Rolle mit der Zahnflanke kann linienförmig sein, er kann aber auch punktförmig sein (Anmerkung: Am Anfang des Posts habe ich den Sachverhalt nur vereinfacht dargestellt, um Komplexität zu reduzieren). Die Anlage wird hier nicht nur durch die Form der Einlegestücke, sondern auch durch die Form der Flanke bestimmt. Fangen wir bei der Geradverzahnung an: Hier haben wir eine gerade Zahnlücke, die in Kombination mit den zylinderförmigen Rollen zu einer linienförmigen Anlage führen. Es ist in dem Fall egal, ob die Flankenform gerade (z.B. Kerbverzahnung nach DIN 5481, Hirthverzahnung) oder evolventisch ist.

Bei der Schrägverzahnung wendelt sich der Zahn um das Zahnrad herum. Die Zahnlücke ist deshalb wendelförmig. Wenn wir in diese Zahnlücke die zylinderförmige Rolle einlegen, kann die Rolle der Wendel nicht folgen. Das heißt, dass die Rolle nicht auf ganzer Länge an der Zahnflanke anliegt. Das ist in dem untenstehenden Bild gut erkennbar. Die Rollen liegen nur in der Mitte an. Die Rollenenden hängen quasi in der Luft.

Das heißt, dass sich die Anlage der Rollen je nach Geometrie der Verzahnung verändert. Der Idealfall ist nur bei Geradverzahnungen gegeben: Die Rolle liegt über die volle Länge linienförmig an.
Bei einer Schrägverzahnung hängt die Anlage der Rollen von der Geometrie der Schrägverzahnung ab. Die linienförmige Anlage wird immer kürzer und wird im Extremfall zur punktförmigen Anlage. Je größer der Schrägungswinkel ist und je kleiner der Durchmesser, auf dem die Rollen die Flanke berühren, umso kürzer wird die linienförmige Anlage.
Identische Ergebnisse im Extremfall
Die identischen Ergebnisse erhalte ich, wenn die Anlage von Rolle und Kugel identisch sind. Das ist nur dann der Fall, wenn die Rollen eine punktförmige Anlage haben – also im Extremfall (großer Schrägungswinkel, kleiner Durchmesser). Dann muss mich mich jedoch Fragen, welchen Vorteil das Diametrale Rollenmaß gegenüber dem Kugelmaß noch hat. Die Rollen gleichen den Flankenformfehler nicht mehr aus. Das Handling mit den Rollen ist in diesem Fall schwieriger als mit Kugeln.
Eine Einschränkung des Rollenmaßes habe ich bisher nicht erwähnt: Die Messung von schrägverzahnten Hohlrädern nicht möglich (siehe Rollenmaß oder Kugelmaß?)
Fazit
Die Ergebnisse von Diametralem Kugelmaß und Rollenmaß können bei Geradverzahnungen vergleichbar sein. Unterschiede werden durch die unterschiedlichen Anlagearten von Kugeln und Rollen und durch den Flankenformfehler verursacht.
Unterschiede im Millimeterbereich treten bei Schrägverzahnungen mit ungerader Zähnezahl auf. Bei der Messung mit Rollen kann exakt über die Mitte gemessen werden. Bei der Messung mit Kugeln wird der Abstand versetzt zu 180° gemessen.
Absolut identische Ergebnisse für MdR und MdK erreicht man nur bei identischem Flankenkontakt (-> punktförmig). Der Flankenkontakt der Rollen reduziert sich von linienförmig zu punktförmig, je größer der Schrägungswinkel und je kleiner der Messkreisdurchmesser sind. In diesem Extremfall ist fraglich, ob die Messung mit Rollen überhaupt noch sinnvoll ist.