Filter ist klar, aber Morpho… – was?
Morphologisch kommt aus dem Griechischen und kann je nach dem Umfeld, in dem das Wort verwendet wird, eine andere Bedeutung haben. In dem Umfeld „Filter“ bedeutet es so viel wie „die äußere Gestalt betreffend“.
Filterarten
In der Längenmesstechnik gibt es verschiedene Arten von Filtern, die eingesetzt werden können:
- elektrische Filter (RC-Filter),
- mathematische Filter (z.B. Gauß-Filter, Spline-Filter),
- morphologische Filter
Bei dem morphologischen Filter wird die Filterwirkung durch die äußere Gestalt bestimmt. Gemeint ist die äußere Gestalt des Tastelements.
Messverfahren
In der Längenmesstechnik werden die Messdaten dadurch erfasst, dass das Messgerät das Werkstück abtastet. Die Abtastung kann entweder berührend (= taktil) oder berührungslos (z.B. optisch mittels Lasertaster) erfolgen.
Taktile Messung
Die taktile Messung verwendet in der Regel einen Taster, der das Werktück mit einer Tastkugel berührt.

Berührungslose Messung
Die berührungslose Messung verwendet Strahlen, um das Werkstück abzutasten. Das kann z.b. ein Laserstrahl sein, oder im Falle der Computertomografie (CT) Röntgenstrahlen. Bei der berührungslosen Messung sagt man sagen, das der Durchmesser der Tastkugel gleich null ist.

Rauheitsmessung
Die Rauheitsmessung ist ein Spezialfall. Um die Rauheit erfassen zu können, darf die Tastkugel nicht zu groß sein. Ein großer Tastkugeldurchmesser würde wichtige Aspekte der Rauheit als morphologischer Filter herausfiltern. Deshalb verwendet man bei der Rauheitsmessung keine Kugel, sondern eine Spitze.

Einfluss des Tastkugeldurchmessers
Zurück zum morphologischen Filter: Das Tastelement kann ein morphologischer Filter sein. Seine „äußere Gestalt“ (s.o. Definition von morphologisch) bestimmt die Filterwirkung. Die äußere Gestalt kann die Form sein, also Kugel, Spitze, Zylinder,… Jenachdem wie die Form des Tastelementes ist, wird dies die Aufnahme der Messpunkte beeinflussen. Die äußere Gestalt kann sich auch nur auf den Durchmesser der verwendeten Tastkugel beziehen. Wir beleuchten im folgenden nur diesen Aspekt. Die Form der drei o.g. Tastelemente (Kugel, Spitze, Strahl) lässt sich auf eine einzige Form zurückführen, die Kugel. Der Strahl hat dabei den Kugeldurchmesser = 0,0 mm. Die Spitze ist nicht wirklich spitz, sondern ist abgerundet mit einem sehr kleinen Durchmesser (d <= 0,002mm).
Ungefilterte Oberfläche
Die Beschaffenheit der Werkstückoberfläche hängt von dem verwendeten Fertigungsverfahren ab. Im folgenden Bild sehen wir einen Abschnitt einer Oberflächenmessung. Die Abweichungen zur waagerechten Nulllinie (= ideale Oberfläche) sind stark vergrößert dargestellt.

Messung mit Tastspitze
Zur Rauheitsmessung verwende ich ein Tastelement mit sehr kleinem Tastkugeldurchmesser (Tastspitze mit Radius <= 0,002 mm). Die Tastspitze ist im folgenden Bild rot dargestellt.

Man erkennt, dass die Tastspitze annähernd die ganze Oberfläche so erfasst, wie sie ist. Nur an einzelnen Stellen kann die Tastspitze nicht komplett in die Täler eintauchen (s.o. Differenz zwischen Oberfläche = braun, gefiltertem Signal = blau). Die Oberflächenrauheit kann korrekt erfasst und ermittelt werden.
Taktile Messung mit kleiner Tastkugel
Wenn wir uns mehr für die Form der Oberfläche interessieren, verwenden wir für die Messung z.B. ein Koordinatenmessgerät (= KMG). In diesem Fall tasten wir die Werkstückoberfläche bei der taktilen Messung mit einer Tastkugel ab.

Die Größe der Tastkugel beeinflusst unser Messergebnis. Das obenstehende Bild zeigt einen Sterntaster mit Tastern mit unterschiedlichen Tastkugeldurchmessern (d = 0,7 bis 5,0 mm).

Die Tastkugel kann jetzt an einigen Stellen nur noch teilweise in die Täler der Werkstückoberfläche eintauchen. Dennoch zeigt die blaue Linie (= gefiltertes Signal) immer noch eine sehr gute Abbildung der realen Werkstückoberfläche. Die morphologische Filterwirkung der Tastkugel hat an dieser Stelle die Oberflächenrauheit herausgefiltert. Die Form und Welligkeit der Oberfläche sind jedoch erhalten geblieben.
Taktile Messung mit größerer Tastkugel
Verwenden wir jetzt eine größere Tastkugel, um zu sehen, wie sich das Messergebnis verändert.

Wie zu erwarten war, hat sich die Filterwirkung durch den größeren Tastkugeldurchmesser verstärkt. Die Tastkugel hat hier nicht nur die Rauheit, sondern auch die Welligkeit in großen Teilen herausgefiltert. Es ist fraglich, ob die erfassten Messdaten noch ausreichend genau sind für das was ausgewertet werden soll.
Taktile Messung mit sehr großer Tastkugel
Wir treiben das ganze jetzt auf die Spitze und verwenden eine noch deutlich größere Tastkugel.

Spätestens hier sehen wir, dass von der eigentlichen Oberfläche nicht mehr viel übrig bleibt. Die Tastkugel kann aufgrund ihres sehr großen Durchmessers nicht einmal annährungsweise in die Täler der Werkstückoberfläche eintauchen. Das Messergebnis ist nicht mehr aussagekräftig.
Einseitge Filterwirkung
Schauen wir uns die Filterwirkung von größeren Tastkugeldurchmessern genauer an, fällt uns auf, dass der Filter nur einseitig wirkt.

Die Tastkugel kann nicht mehr in die Täler eintauchen, wodurch dieser Anteil herausgefiltert wird. Die Berge der Werkstückoberfläche bleiben jedoch erhalten. Dies unterscheidet den morphologischen Filter von z.B. einem Gauß-Filter. Der Gauß-Filter mittelt die Abweichungen über die Nachbarpunkte (siehe Filterung: Gauß-Filter). Peaks – egal ob Berge oder Täler – werden beim Gaußfilter geglättet.
Fazit
Die Tastkugel wirkt als morphologischer Filter. Die Filterwirkung wird maßgeblich durch den Tastkugeldurchmesser bestimmt.
Es ist darauf zu achten, dass der Tastkugeldurchmeser dem Ziel der Messung (Rauheit, Welligkeit, Form) angemessen gewählt wird.
Der morphologische Filter wirkt nur einseitig. Er filtert Oberflächentäler heraus, lässt die Oberflächenberge jedoch stehen.