Eine Zahnradzeichnungen beinhaltet in der Regel eine Verzahnungstabelle. Diese Tabelle enthält alle notwendigen Parameter, um die Verzahnung zu definieren. Zusätzlich ist ein Verweis auf die geforderte Qualität angegeben.

Toleranzangaben in der Zeichnung
Es kann sein, dass die Zeichnung explizit Angaben von Toleranzen für die zu prüfenden Verzahnungsparameter gibt. Das kann verschiedene Gründe haben. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn
- nicht alle Verzahnungsabweichungen überprüft werden müssen, die die Verzahnungsnorm definiert.
- Einzelne Abweichungen eine größere oder kleinere Toleranz zugestanden wird, als in der Qualitätsklasse definiert ist.
Die Toleranztabelle kann dann in etwa so aussehen:

Die Toleranztabelle in der o.g. Zeichnung enthält eine Auffälligkeit, auf die ich näher eingehen möchte. Wir wollen uns deshalb einen Ausschnitt genauer anschauen:

Aus den o.g. Toleranzangaben könnte man entnehmen, dass die Profil-Winkelabweichung (fHα) positiv und negativ sein darf, während die Flankenlinien-Winkelabweichung (fHβ) nur positiv sein darf.
Das ist eine Fehlannahme! Warum das so ist, möchte ich im Folgenden ausführen.
Zahnradtoleranzen
Die meisten Zahnrad-Toleranzen sind nullbasiert, d.h. die untere Toleranzgrenze ist Null. Dies trifft zur für die Formabweichungen und die Gesamtabweichungen und ebenfalls für die Rundlaufabweichung und den Teilungssprung.
Die Winkelabweichungen für Profil (Symbol: fHα) und Flankenlinie (Symbol: fHβ) bilden jedoch eine Ausnahme. Die Toleranzen für diese Abweichungen sind Plus-Minus-Toleranzen.


Warum ist das so?
Richtung der Winkelabweichung
Der Winkel kann in zwei Richtungen schwanken. Besonders anschaulich ist das bei der Flankenlinie.
Bei einer Schrägverzahnung kann der Ist-Schrägungswinkel größer oder kleiner als der Nenn-Schrägungswinkel sein. Die Flankenlinien-Winkelabweichung ist dann entweder positiv oder negativ.
Bei einer Geradverzahnung ist der Nenn-Schrägungswinkel = 0.0°. Der Ist-Schrägungswinkel kann zwar nicht kleiner als Null werden. Die Flanke kann von Null aber in beide Richtungen abweichen. Die Richtung wird dann über das Vorzeichen der Winkelabweichung angegeben. Deshalb gibt es auch hier positive und negative Abweichungen.
So ähnlich ist es beim Profil. Die Profil-Winkelabweichung gibt die Abweichung des Eingriffswinkels an. Der Ist-Eingriffswinkel kann größer oder kleiner sein als der Nenn-Eingriffswinkel. Dadurch ergeben sich ebenfalls positive und negative Abweichungen.
Schauen wir in die Verzahnungsnormen, wo die Toleranzen für die Winkelabweichungen definiert sind.
Angabe in den Normen
In den älteren Verzahnungsnormen werden die Toleranzen vornehmlich als Tabellenwerte angegeben, z.B. in der DIN 3962. Dort stehen in den Toleranztabellen für fHα und fHβ nur positive Toleranzwerte. Leider ohne Hinweise auf die Verwendung als Plus-Minus-Toleranz.
Die DIN 3961 definiert Formeln für die Verzahnungstoleranzen. Auch hier wird der Sachverhalt leider mit keinem Wort erwähnt.
Man kann nur indirekt herleiten, dass die Toleranzen für fHα und fHβ Plus-Minus-Toleranzen sein müssen. Das erschließt sich aus der Definition der Winkelabweichungen (siehe DIN 3960) durch den Hinweis, dass die Winkelabweichungen positiv und negativ sein können.
In den aktuellen Normen wird dieser Sachverhalt besser kommuniziert.
Die DIN ISO 1328-1:2018 (Formeln für Verzahnungstoleranzen) weist ausdrücklich darauf hin:
„Diese Toleranz ist als Plus-/Minus-Wert (+/-) anzuwenden.“
(Quelle: DIN ISO 1328-1:2018, Kap. 5.3.3.1 und 5.3.4.1)
Diese Aussage gilt für fHα und fHβ gleichermaßen!
Asymmetrische Winkeltoleranz
Die Toleranzen für Profil- und Flankenlinien-Winkelabweichung sind nach Norm symmetrisch. Dies ist der Normalfall.
Es gibt Ausnahmen von dem Normalfall. Der Konstrukteur ist nicht an die Toleranznormen gebunden. Er kann je nach Anforderung die Toleranzen für seine Verzahnung definieren. Deshalb ist es möglich, dass der Konstrukteur die Winkeltoleranz einseitig einschränkt. Er definiert dann eine asymmetrische Toleranz. Sinnvoll könnte z.B. die Einschränkung sein, bei der die Profil-Winkelabweichung nur im negativen Bereich liegen darf. Hintergrund wäre, z.B. dass eine Schwächung des Zahnfußes vermieden werden soll. Eine positive Profil-Winkelabweichung führt zu einer kleineren Zahndicke am Fuß. Ein anderer Grund wäre, dass ein vorzeitiger Zahneingriff am Kopf vermieden werden soll. Ist das der Fall, dann wird der Konstrukteur diese asymmetrische Toleranz explizit auf der Zeichnung angeben. Das würde in der Zeichnung folgendermaßen aussehen:

Gängige Verzahnungsmesssoftware bietet die Option, obere und untere Toleranz für die Winkelabweichung separat zu definieren.

Im Verzahnungsmessprotokoll muss diese explizite Festlegung entsprechend dokumentiert werden, um Fehlinterpretationen zu vermeiden.

Das o.g. Bild zeigt nicht nur die asymmetrische Toleranzdefinition für fHα. Es zeigt auch, dass diese Definition nicht der Norm entspricht. Für die Gesamtabweichung (Symbol: Fα) und die Formabweichung (Symbol: ffα) kann die Software die Ist-Qualität ermitteln und angegeben (siehe Symbol: Qa). Für die Profil-Winkelabweichung kann nur überprüft werden, ob die Abweichungen innerhalb der Toleranzdefinition liegen. Eine Angabe einer Qualitätsklasse ist jedoch nicht möglich.
Fazit
Die Toleranz für Profil- und Flankenlinien-Winkelabweichung ist im Normalfall eine Plus-Minus-Toleranz. So definieren es die Verzahnungsnormen. Ist die entsprechende Toleranz in der Zeichnung nur als positiver Zahlenwert angegeben, so bedeutet dies trotzdem, dass die Winkelabweichung um diesen Wert ins Positive und ins Negative abweichen darf.
Bedarf es einer einseitig eingeschränkten Toleranz für die Winkelabweichung, dann muss dies ausdrücklich auf der Zeichnung angegeben sein. Die obere und untere Toleranz sind dann explizit in der Verzahnungstabelle eingetragen.