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Verzahnungsmesstechnik

Ein Rückblick

Anfang Oktober habe ich auf die Verzahnungsmesstechniktagung hingewiesen: Der Countdown läuft. Mitte Oktober war die Tagung. Leider komme ich erst jetzt dazu, einen Blogartikel zur Tagung zu schreiben.

Wie war es?

Was soll ich sagen – für mich war es absolut bereichernd. Die Themen waren interessant, die Vorträge informativ.

VDI-Fachtagung Verzahnungsmesstechnik: 15.-16.10.2024 in Nürnberg
VDI-Fachtagung Verzahnungsmesstechnik: 15.-16.10.2024 in Nürnberg

Ich beschäftige mich schon seit einiger Zeit mit der optischen Messung von Verzahnungen. Früher hat man abgewunken: „Ist nicht genau genug für Zahnräder.“ Das stimmte damals auch. Mittlerweile hat sich einiges getan.

Optische Messtechnik

Es gibt neue Sensoren, die eine höhere Genauigkeit aufweisen. Nicht umsonst sieht man bei verschiedenen Messtechnikherstellern das Angebot der optischen Verzahnungsmessung.

Diese Entwicklung kann uns einen oder sogar zwei Schritte in der Verzahnungsmesstechnik voranbringen.

Erster Schritt: Welligkeit

Die Elektromobilität bringt es mit sich, dass die Anforderungen an Verzahnunen bezüglich Geräuschverhalten steigen. Warum ist das so? Der Verbrennungsmotor hat mit seiner Geräuschkulisse bisher viele Geräusche einfach überdeckt. In einem E-Auto fällt das weg. Der Motor macht kaum Geräusche. Wenn der Kunde dadurch das Getriebe hört, fühlt sich das nach schlechter Qualität an. Das gleiche gilt für Antriebe für Fensterheber oder Schiebedach. Auch hier soll alles möglichst geräuscharm vonstatten gehen.

Wie macht man ein Getriebe leise?

Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Spontane Antwort: kleinere Toleranzen. Das ist definitiv einen Versuch wert. Allerdings steigen dadurch die Fertigungskosten. Viel schlimmer noch ist, dass es nicht unbedingt das Problem löst. Ich habe es selber schon erlebt, dass eine Verzahnung mit kleinen Abweichungen lauter war als eine identische Verzahnung mit größeren Abweichungen!

Welligkeit

Hier kommt die Welligkeit ins Spiel. Eine Zahnflankenwelligkeit kann Geräusche erzeugen oder verstärken. Deshalb gibt es auf dem Gebiet der Welligkeitsanalyse vermehrt Untersuchungen. Mittlerweile sind Softwarepakete verfügbar, die eine Welligkeitsanalyse auf Basis der Messdaten anbieten. Leider reicht dafür eine Standard-Verzahnungsmessung, bei der Profil und Flankenlinie an nur vier Zähnen gemessen werden, nicht aus. Ideal ist eine Allzahnmessung, die am besten in mehreren Ebenen durchgeführt wird. Das Ziel muss es sein, so viele Flanken wie möglich flächig zu erfassen. Nur wenn die Messpunktdichte groß genug ist, können entsprechende Welligkeiten entdeckt werden.

Standardmessung

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum eine Standard-Verzahnungsmessung so definiert ist? Die einfache Antwort wäre, weil die Messung von vier Zähnen ausreicht. Damit stimme ich nicht überein. So eine Messung kann ausreichend sein für ein Zahnrad, das mittels eines abwälzenden Verfahrens hergestellt wurde, kann. Für alle anderen Fertigungsverfahren ist sie es nicht. Im Fall der Welligkeitsanalyse ist sie es ebenfalls nicht.

Standardmessung mit Drehtisch: 4 Zähne komplett, Teilung an allen Zähnen
Standardmessung: 4 Zähne komplett, Teilung an allen Zähnen

Einschränkung: Messzeit

Der eigentliche Grund für diese eingeschränkte Messung ist, dass eine vollständige Messung früher zu aufwändig war. Die vollständige Messung eines Zahnrades mit Messgeräten von vor 30-40 Jahren hätte Stunden gedauert. Außerdem ist es fraglich, ob die Software von damals mit so großen Punktemenge überhaupt hätte umgehen können.

Optisch = viele Punkte

Der Vorteil der optischen Messtechnik im Vergleich zur taktilen Messtechnik ist, dass sehr viele Messpunkte in kurzer Zeit aufgenommen werden können. Das heißt, dass wir mit der heutigen Messtechnik auf diese Einschränkung nicht angewiesen sind. Trotzdem halten wir daran fest. Ein größerer Messumfang ist spätestens dann erforderlich, wenn eine Welligkeitsanalyse durchgeführt werden soll. Sie sehen also, dass die optische Messtechnik in Zukunft immer wichtiger werden wird.

Laserstrahl
Optische Messung

Zweiter Schritt: Flächenhafte Auswertung

Wie beurteilen wir heutzutage eine Zahnflanke? Die Beurteilung basiert auf einem Schnitt für das Profil und einem Schnitt für die Flankenlinie. Das ist gängige Praxis. Machen wir uns aber bewusst, dass wir mit diesen beiden Schnitten nur einen Bruchteil der Flanke erfasst haben.

Beschädigung erkennen

Stellen Sie sich einmal vor, dass auf der Zahnflanke eine Beschädigung ist. Das könnte vorstehendes Material am Zahnende sein, z.B. durch einen Grat. Sie müssen schon viel Glück haben, dass sie genau an dem Zahn die Flankenlinie messen. Außerdem muss der Grat exakt auf dem Durchmesser sein, auf dem Sie die Flankenlinie messen. Im schlechtesten Fall bemerken Sie das Problem erst nachdem die Verzahnungen im Getriebe verbaut sind und das Getriebe an seinem Einsatzort eingebaut ist. Der Probelauf lässt Sie aufhorchen: Ein sehr unangenehmes, ungleichmäßiges und lautes Geräusch. So können Sie nicht ausliefern. Also, alles wieder aubauen.

Wälzprüfung

Vermeiden könnten Sie das o.g. Szenario, in dem Sie eine funktionale Prüfung durchführen – eine Zweiflanken– oder Einflankenwälzprüfung. Bei der Wälzrprüfung ist die komplette Flanke im Eingriff und alle Zähne werden geprüft. Eine Beschädigung, wie oben beschrieben, würde sofort auffallen und das Teil könnte aussortiert werden.

Informationsgewinn nutzen

Wenn ich die Verzahnung mittels optischer Messtechnik flächenhaft erfassen kann, wäre es unlogisch 90% der Messdaten zu ignorieren und nur jeweils einen Schnitt für das Profil und für die Flankenlinie auszuwerten. Habe ich mehr Informationen über die Zahnflanken und die Verzahnung, will ich diesen Inforamtionsgewinn auch nutzen. Fertigen Sie Zahnräder mittels Spritzguß oder ähnlichem? Dann wissen Sie was ich meine. Bei so einem Fertigungsverfahren kann jeder Zahn anders aussehen. Ich muss also jetzt schon alle Zähne messen. Außerdem ist nicht ausreichend, nur in einer Ebene zu messen. Die Zähne müssen zumindest in drei Ebenen (oben, Mitte, unten) gemessen werden.

Standardmessung für Kunststoffverzahnung: Profil und Teilung allen Zähnen in 3 Ebenen, Flankenlinie an allen Zähnen
Standardmessung für Spritzgußverzahnung: Profil und Teilung allen Zähnen in 3 Ebenen, Flankenlinie an allen Zähnen

Zu dem Thema „flächenhafte Auswertung“ gibt es schon einige wissenschaftliche Arbeiten und mathematische Ansätze. Damit wir für die Zukunft gerüstet sind, arbeitet der VDI gerade an einer Richtlinie zur flächenhaften Auswertung.

Fazit

Die Tagung hat viele aktuelle Entwicklungen der Verzahnungsmesstechnik thematisiert. Themen wie Geräuschverhalten, Welligkeitsanalyse, optische Messtechnik und flächenhafte Auswertung greifen ineinander. Sie werden in den nächsten Jahren immer wichtiger werden. Die technischen Gegebenheiten sind vorhanden, dass wir Verzahnungen komplett vermessen können und das mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand. Deshalb ist auch die flächenhafte Auswertung ein Thema, dass wir weiter verfolgen müssen.

Ich konnte Ihnen nur einen kleinen Abriss über die Themen der Tagung geben. Meine Empfehlung an Sie: Nehmen Sie an der nächsten Tagung teil. Dann bekommen Sie Informationen aus erster Hand und können mit den Experten vor Ort diskutieren.

VDI-Fachtagung Verzahnungsmesstechnik: 15. und 16.10.2024 in Nürnberg

Von Klaus Stein

Ich bin seit 20 Jahren in der Softwareentwicklung und in der Koordinatenmesstechnik tätig.
Die Verzahnungsmesstechnik ist mein Schwerpunkt.